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Um die physiologischen Prozesse zu verstehen, die in unserem Gehirn und in unserem Körper ablaufen, wenn wir uns unter Stress befinden, hat sich das anschauliche Bild des Säbelzahntiger-Reflexes bewährt.

Was passiert bei drohender Gefahr?

Im Körper gibt es verschiedene Systeme, die Anspannung und Entspannung vermitteln. Das grundsätzlichste, alltäglichste ist das des Sympathikus (der Antreiber) und des Parasympathikus (der Entspanner). Das Nervensystem des Sympathikus setzt bei ‚Gefahr‘ (z.B. Stress) den Herzschlag und den Blutdruck hoch, durch die Aktivierung und Freisetzung aller Energiereserven wird sozusagen ‚Vollgas‘ gegeben, was zur Anspannung der Muskeln führt (wir sind damit bereit, bei drohender Gefahr schnell die Flucht zu ergreifen oder einen Gegner anzugreifen), sowie zur Verengung der Pupillen zum Scharfsehen (wo ist die Gefahr?).

Das Nervengeflecht des Parasympathikus hingegen ist der Gegenspieler, er entspannt das System, er tritt sozusagen auf die Bremse, nachdem wir hochgelaufen sind, er sorgt dafür, dass alles, was nicht mehr überlebensnotwendig ist, wieder runtergefahren wird. Er senkt Blutdruck und Herzfrequenz, weitet die Pupillen, und entspricht damit der Meldung: die Gefahr ist vorbei!

Gesteuert wird dieses System von Gaspedal und Bremse von einem Bereich im Gehirn, den man das Limbische System nennt. Ganz vereinfacht beschrieben sitzen hier zwei Strukturen, der Gefahrenwächter (Amygdala) und der Beruhiger (Hippocampus). In der Amygdala, einem in der Hirnentwicklung der Lebewesen ganz alten Zentrum, das alle weiter entwickelten Lebewesen haben, wird jeder Außenreiz, der auf uns einwirkt, und den wir wahrnehmen, z.B. ein Knall, ein Blitz, eine Erschütterung daraufhin kontrolliert, ob er etwas Gefährliches für das Individuum darstellt oder nicht. Aber auch lediglich furchtsame Gedanken können diesen Bereich triggern, so ist z.B. was früher der angstmachende Gedanke war „Ist der Säbelzahntiger noch da?“ heute der angstbesetzte Gedanke „Der Chef hat mir schon wieder eine email geschrieben“. Im Normalzustand wird bei einer Gefahrenmeldung gleichzeitig eine Rückkopplung in Gang gesetzt, nach dem Motto: „Kenne ich so eine Situation, habe ich das schon mal erlebt, kann ich auf Erfahrungswerte zur Lösung zurückgreifen?“ Wenn es positive Erfahrungswerte gibt, kann das Warnsystem entspannen und die entsprechenden Handlungen werden vollzogen. Schließich wird rückgemeldet „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, ich kann wieder entspannen“.

Ist das Individuum jedoch überreizt und überlastet, so tendiert dieses Zentrum (der Gefahrenwächter) allerdings nur dazu, den Gefahrenfokus noch schärfer zu stellen und bei vermeintlicher Gefahr noch schneller anzuspringen. Ursprünglich neutrale Dinge und Situation werden plötzlich als möglicherweise belastend und gefährlich eingestuft, weil man bereits mit dem Rücken zur Wand steht und bereits ein permanentes Gefühl von Bedrohung erreicht hat. Schließlich ist eine Entwarnung, und die damit einhergehende Entspannung gar nicht mehr möglich. Wenn dieses Kontrollzentrum auf Dauer zu stark aktiviert ist, kann es dazu führen, dass die normalerweise ablaufenden Rückkoppelungsprozesse nicht mehr stattfinden. Die abwägende Bearbeitung der Informationen wird reduziert und stattdessen werden Reize ungeprüft direkt ins Aktions- und Abwehrzentrum weitergeleitet. Das heißt, die körperliche hormonelle Stresskaskade, der Säbelzahntiger-Reflex, wird in Gang gesetzt. Über die Hypophyse wird die Nebennierenrinde dazu angeregt, Adrenalin für eine akute und schnelle Stressreaktion und Cortisol für die länger wirkende und chronische Stressbewältigung auszuschütten.

Was passiert bei chronischem „Alarmzustand“?

Jetzt setzt das Nervensystem des Sympathikus (der Antreiber) den Körper in den Alarmzustand, um die drohende Gefahr durch den uralten Abwehrmechanismus „Angriff“ oder „Flucht“ zu bannen. Unsere Nebennieren schütten Adrenalin aus, das den Herzschlag und den Blutdruck hochfährt; der schnellere PuIs wiederum schafft mehr Sauerstoff heran, womit die Muskeln in ihrer Leistungsfähigkeit optimiert werden; zusätzlich wird Insulin ausgeschüttet, um die Muskeln mit mehr Nahrung zu versorgen; Verdauung und Sexualität hingegen werden heruntergefahren (das stört nur bei der Verteidigung). Zum besseren Erkennen der Gefahr werden auch noch die Pupillen eng gestellt, und die gesamte Konzentration wird auf das Geschehen ausgerichtet. Ein typisches Symptom dafür ist, das man das Grübeln über eine Konfliktsituation nicht mehr abstellen kann. Während unser gesamtes System also weiterhin reflexartig auf die uralte Bedrohung durch den Säbelzahntiger reagiert, gibt es diesen Säbelzahntiger, auf den wir mit den automatischen Gefahrabwehr-Strategien von Angriff oder Flucht reagieren konnten, nicht mehr. Oder anders gesagt, wir können auf die aktuellen ‚Säbelzahntiger‘ (seien es der Chef oder sonstige, als angstmachend empfundene Personen, Dinge oder Situationen) nicht mehr mit Angriff oder Flucht reagieren. Daher stauen wir stattdessen diese zur Gefahrenabwehr mobilisierten Energien in uns auf.

Während wir nach der Physiologie des uns einprogrammierten Programmes durch Angriff oder Flucht diese mobilisierte Energie unserer Muskeln durch Bewegung umsetzen und das ausgeschüttete Adrenalin „verbrennen“ sollten, um im Anschluss daran im Schutz der sicheren Höhle unsere Wunden zu pflegen und unsere Emotionen durch ‚Heldenberichte‘ und erfahrende Fürsorge zu entspannen, ist es heute so, dass diese physischen Möglichkeiten der Energieabfuhr – Angriff oder Flucht – nicht mehr in Betracht kommen.

Wenn wir dann auch im privaten Umfeld keinen Ausgleich und Entspannung für unsere hochgefahrenen Emotionen erfahren, ist das Ergebnis, das diese durch den Stress (=Gefahr!) mobilisierte und nicht aufgelöste Energie sich immer weiter ansammelt und in uns ‚kocht‘. Hält eine solche Situation weiterhin an und wird zu dauerhaften Belastung, ohne dass ein physischer und emotionaler Ausgleich gegeben ist, ist der Zusammenbruch dieses Systems vorhersehbar, ein wichtiges Frühwarnzeichen dafür ist z.B. die nächtliche Schlafstörung, die auf eine aufgrund des Dauerstresses nicht mehr regulierte Überproduktion von Cortisol in den Nebennieren zurückgeht.

Was können wir zum Ausgleich tun?

Wir können jedoch lernen, einen Ausgleich für den Säbelzahntiger-Reflex „Angriff oder Flucht“ zu schaffen, indem wir ausgleichend auf den Hippocampus, den Beruhiger, oder Entschleuniger und/oder auf seine Gegenspielerin, die Amygdala, also die Antreiberin, oder Gefahrenwächterin einwirken. Wir können den Hippocampus stärken, indem wir auf der körperlichen Ebene eine stress- und wettbewerbs-freie Sportart praktizieren, wodurch wir die angestauten physischen Energien abbauen können (wir sollten dabei jedoch darauf achten, uns nicht neue Formen von Stress dazu zu holen!) Der zweite Ansatz besteht darin, der Überaktivierung der Amygdala durch geistige Prozesse entgegenzuwirken, sei es durch bewusste Beruhigung, oder Meditation, oder durch kognitive Prozesse oder Umstrukturierungen, wie z.B. Selbstsuggestionen wie z.B. innere ermutigende Dialoge oder meditative Übungen.

In dem integrativen Diagnose- und Therapieansatz der Praxis Prof. Stark können Sie testen, inwieweit Ihr Körper belastet und inwieweit er noch regenerationsfähig ist, und unter therapeutischer Anleitung lernen, diese Prozesse auf körperlicher und auf psychischer Ebene bei sich zu erkennen und rechtzeitig ausgleichende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.